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für einen Fingerhut und eine Cremedose. Gemacht und verkauft
von Paul Revere, der auch die Rechnung geschrieben hat. Das
Stück Papier kostet zweitausend Dollar, und es ist jeden
einzelnen Cent wert & Für mich. Paul Revere hat sich täglich
mit solchen Dingen beschäftigt & « Sie schwieg, um in dem
Gedanken zu schwelgen. Dann umfasste sie mit einer
Armbewegung das Zimmer. »Bei meinem Hezekiah-Stoddard-
Haus empfinde ich ähnlich. Deshalb wollte ich auch nie als
Korrespondentin arbeiten. Boston liegt mir im Blut. Hier lebe
ich mitten in der amerikanischen Geschichte. Die Geschichte
von heute ist meine Arbeit, die Vergangenheit um mich herum.«
Sie sah auf ihn hinab. »Eine wundervolle Sache, finden Sie
nicht? Sich vorzustellen, dass Paul Revere das hier in der Hand
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hielt, die Zahlen notierte & Für mich ist das die amerikanische
Revolution. Das meine ich, wenn ich sage, ich lebe mitten in der
Geschichte und Sie betrachten sie. Washingtons großartige
Strategie und die Grundsätze der Revolution interessieren mich
wahrscheinlich weniger als die Belege, die Einzelheiten.«
»Jedenfalls ist es ein sehr schönes Stück«, sagte er leise. Ihr
Enthusiasmus bewegte ihn auf unerwartete Weise.
Lächelnd leckte sie sich Pizzareste von den Lippen. Sie hatte
so viel Spaß an ihrer Arbeit. Ihm kamen dabei nächtelange
Gespräche mit Studienfreunden im Hayes Bickford auf dem
Square in den Sinn. Sie hatten literweise Kaffee getrunken und
sich mit den ersten großen Fragen ihres Lebens auseinander
gesetzt. Meistens war eine Radcliffe-Studentin dabei. Sie trug
ein Halstuch und saß schniefend mit einem zerknüllten
Taschentuch auf der anderen Tischseite. Das Wetter war immer
scheußlich.
Fünfundzwanzig Jahre später betrachtete er diese kluge Frau,
deren Geist eigenen Wegen folgte, die keine Angst vor
Diskussionen hatte und zur gleichen Zeit lachen konnte, und er
fragte sich, wie stark er sich verändert hatte. Hatte er in den
fünfundzwanzig Jahren etwas dazugelernt? Oder hatte er die
Zeit einfach in der warmen, schützenden Obhut der Universität
verbracht, die immer da war, um ihn zu trösten und ihm die
Sicherheit des Beständigen zu geben?
»Ihre Theorien über eine geordnete Form der Geschichte kann
ich jedenfalls nicht mittragen«, meinte sie heiter. Mitternacht
war längst vorüber, und Clifton Webb lauerte vor Gene Tierneys
Wohnung im Dunkel, als Dana Andrews die Wunderbare,
Verletzliche allein ließ.
»Sicher ist alles nur Zufall.« Sie schüttelte den Kopf und fuhr
sich mit ihren schlanken Fingern durch das dichte Haar. »Wer
immer den Lauf der Geschichte bestimmt, hat nicht mehr
Einfluss auf das Edle im Schicksal der Menschheit und auf ihren
unvermeidlichen Fortschritt als ein Regiment von
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Kürbisköpfen.«
»Das mag richtig sein«, erwiderte er, »aber es gibt eine ganze
Reihe von äußeren Faktoren, die das Rad der Geschichte
bewegen: politische Gegebenheiten, Einflusssphären, der
technische Fortschritt. Ich kann mir nicht helfen: Ich glaube,
unsere Geschichte hat Größe. Der Mensch entwickelt sich in die
richtige Richtung, denn seine Instinkte sind auf Vernunft,
Harmonie und Frieden gerichtet, ganz gleich, auf welchen
Umwegen er sein Ziel erreicht.«
Er empfand die Wärme ihrer Debatte. Es war, als würden sie
den Puls des Lebens spüren. Über Dinge zu reden, die einem
etwas bedeuten, ist eine unter die Haut gehende Erfahrung. Als
sie ihm die Augen sah, fühlte er sich wie elektrisiert, so, als
hätten sie sich geliebt.
»Ich behaupte, die Geschichte ist ein einziger Witz.« Sie stand
auf und kam zu ihm. »Aber nehmen Sie s nicht so schwer,
Professor.« Sie nahm seine Hand und strich mit ihrem Daumen
darüber.
»Ich habe Sie gern, weil Sie das Beste daraus machen das
Beste aus einem schlechten Scherz & Hoffentlich haben Sie
Recht. Gut, dass Sie die jungen Leute unterrichten und nicht ich.
Vielleicht sind sie unsere allerletzte Hoffnung. Wenn sie
schlucken, was Sie Ihnen erzählen, und wenn die Vernunft siegt,
könnte sich Ihre Prophezeiung erfüllen. Dann habe ich Gott sei
Dank das Nachsehen.«
Sie kniete sich kurz vor ihn hin und küsste ihn. Ihr Kuss war
weder flüchtig noch leidenschaftlich wie nach dem Liebesakt.
Genau so fühlte sich Chandler, als er sie ins Schlafzimmer
gehen sah. Seltsam &
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SAMSTAG
Als Chandler am nächsten Morgen aufwachte, saß Polly auf
seinem Sofa. Sie trommelte mit einer zusammengerollten
Zeitung auf den Tisch und rief ständig seinen Namen.
»O Gott«, murmelte er, »seien Sie still!«
»Ich konnte nicht warten, bis Sie von selbst aufwachen«,
erklärte sie zur Entschuldigung. Hübsch und ausgeruht sah sie
aus in ihrem Bademantel. Das Haar trug sie nach hinten
gebürstet, ihre Augen glänzten. Er selbst kam sich vor wie eine
alte Tennissocke. »Ich dachte, Sie würden das hier ganz gern
sehen.« Sie hielt ihm Seite 3 der Morgenzeitung vor die Nase.
HARVARD-PROFESSOR VERSCHWUNDEN? GESUCHT
ZUR AUSSAGE IN ZWEI MORDFÄLLEN
Neben der Schlagzeile starrte ihn sein eigenes Gesicht ziemlich
verschwommen und hochmütig an. Sie gab ihm die Brille,
während er sich mühsam aufrichtete und die Decke bis unters
Kinn zog.
»Wer sucht mich, verdammt noch mal? Klingt, als würde ich
verdächtigt.« Er konnte sein Grinsen nicht verbergen.
»Es klingt irreführend. Sie werden nicht von der Polizei
gesucht, sondern von den Reportern.«
»Mehr als irreführend, würde ich sagen.« Der Artikel enthielt
nichts Unerwartetes: Spekulationen, Chandlers Verschwinden,
eine Verbindung zu Hugh Brennan. »Du lieber Himmel, sie sind
sogar zu Prosser gegangen«, murmelte er und erinnerte sich
daran, wie Brennan auf ihn eingeredet hatte, den Dekan
anzurufen. Prosser hatte den Reportern gesagt: »Professor
Chandler ist ein erwachsener Mann. Vielleicht ist er übers
Wochenende verreist, um Verletzungen seiner Privatsphäre zu
entgehen. So weit ich sagen kann, ist Professor Chandlers
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Verwicklung in diese unangenehme Affäre einzig und allein das
Resultat unverantwortlicher Spekulationen der Medien. Ich bin
von Herzen froh, dass er nicht erreichbar ist.« Ganz der alte
Prosser.
Polly folgte ihm ins Bad und sah ihm von der Türschwelle aus
beim Rasieren zu. Schließlich schob er sie raus und schloss die
Tür, weil er duschen wollte. Kaum zu glauben: Sie wuchs ihm
ans Herz.
Die Stimme am andern Ende war trocken und zerbrechlich wie
Kreide. Und geschäftsmäßig. Percy Davis stammte aus Maine,
wo man schnell zur Sache kam. Chandler nannte seinen Namen
und sagte, dass er am Abend zuvor schon angerufen hatte. Er
fragte, worum es ging.
»Ich bin Bill Davis Großvater«, erklärte die herbstliche
Stimme. »Es gibt keinen Anlass, mich zu trösten, Professor
keinen. Bill ist tot, und sicher tut es Ihnen leid. Ich rufe wegen
eines Päckchens an, das ein gewisser Underhill hier ins
Gasthaus geschickt hat. Der ist jetzt auch tot. Ziemlich
unbefriedigend, würde ich sagen. Ich habe das Päckchen nicht
aufgemacht, aber es lag ein Brief bei. Wenn Sie nichts dagegen
haben, lese ich Ihnen den vor.«
»Bitte«, sagte Chandler. Das Geheimnis lüftete sich, und ihm
wurde flau im Magen. Polly saß am Küchentisch und starrte ihn
an.
»: Ich glaube, dass Ihr Enkel Bill, ein netter junger Mann und
ein Freund von mir, ermordet wurde, weil er ein so seltsames
und wertvolles Dokument besaß, dass für diejenigen, die es
unter allen Umständen in ihren Besitz bringen wollten, ein
Menschenleben nur ein zeitweiliges Hindernis darstellte. Im
Augenblick erscheint es mir das Beste, das Dokument aus dem
Verkehr zu ziehen, weil es einfach zu risikoreich ist, es zu
behalten. Niemand weiß, dass ich es Ihnen schicke.
Zwangsläufig werden die, die es haben wollen und bereit sind,
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dafür zu morden, noch gefährlicher, wenn sie entdecken, dass
ihre Beute verschwunden ist. Aber ich bin in einer Zwangslage,
und ich kann es nicht direkt an die Person schicken, die es früher
oder später verifizieren muss: Professor Colin Chandler von der
Harvard-Universität. Er ist ganz offensichtlich der logische
Empfänger; ich muss auf seine Sicherheit Rücksicht nehmen.
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